Die Jahrtausende alte indische Heilkunst Ayurveda definiert Gesundheit nicht bloß als die Abwesenheit von Krankheit, sondern als ganzheitlichen Gleichgewichtszustand. Damit ist sowohl ein Gleichgewicht aus Körper, Geist und Seele gemeint als auch ein Gleichgewicht der Doshas.
Der Ayurveda schreibt jedem Menschen einen individuellen Konstitutionstyp zu. So wie alles in der Welt aus den fünf Elementen Feuer, Wasser, Erde, Luft und Äther zusammengesetzt ist, so bestehen auch wir Menschen aus ebendiesen Elementen – bloß jeweils in einer individuellen Ausprägung. Aus diesen unterschiedlichen Ausprägungen ergeben sich die drei ayurvedischen Doshas Vata, Pitta und Kapha.
- Vata-Dosha = das Bewegungsprinzip, bestehend aus Luft und Äther (Raum)
- Pitta-Dosha = das Transformationsprinzip, bestehend aus Feuer und (etwas) Wasser
- Kapha-Dosha = das Strukturprinzip, bestehend aus Erde und Wasser
Jeder Mensch trägt alle Elemente und damit auch alle drei Doshas in sich. Jedoch sind in der Regel ein oder zwei Doshas verstärkt ausgeprägt. Diese natürliche Ausprägung bestimmt unseren persönlichen Konstitutionstyp, unser Prakriti. Durch äußere oder innere Faktoren können sich unsere Doshas im Laufe des Lebens allerdings verschieben und wir gelangen in ein Ungleichgewicht.
Sind unsere Doshas im Ungleichgewicht, werden wir anfälliger für Krankheit und Infektionen. Unser Lebensstil sollte also an unsere persönliche Konstitution angepasst sein, damit wir immer wieder in unser Gleichgewicht zurückfinden.
Die Bestimmung des Konstitutionstyps ist daher zentraler Bestandteil einer ayurvedischen Behandlung und Beratung. Doch auch wenn Sie Ihren eigenen Konstitutionstypen nicht kennen, können Sie schon mit kleinen Veränderungen Ihr Immunsystem im Sinne des Ayurvedas kräftigen und Viren, Bakterien und anderen Erregern gestärkt entgegentreten. Auch vor dem Coronavirus können Sie sich so schützen.
Inhaltsverzeichnis
Starke Verdauung = starkes Immunsystem
Im Ayurveda wird das Immunsystem eng mit dem Verdauungssystem in Verbindung gebracht. Auch westliche Immunologen haben mittlerweile bestätigt, dass sich über 80 % des menschlichen Immunsystems im Darm befindet.
Wenn wir unsere Verdauung stärken, stärken wir also gleichzeitig automatisch auch unser Immunsystem. Aus ayurvedischer Sicht ist es die Aufgabe des Verdauungssystems, alles, was wir über Nahrung, Haut und Atemwege zu uns nehmen, in seine Einzelteile zu zersetzen und diese entweder dem Körper zur Verfügung zu stellen oder auszuscheiden.
Dazu braucht es ein starkes Verdauungsfeuer, im Ayurveda Agni genannt. Ist unser Agni zu schwach, wird zum einen unsere Nahrung nicht mehr vollends verdaut und zum anderen Pilze, Bakterien, Keime, Viren und Allergene nicht mehr ausreichend bekämpft.
Ojas und Ama: Zwei Gegenspieler im Ayurveda
Nicht zu Ende verdaute Nahrungsreste verbleiben als Abbaustoffe oder Schlacken im Körper, setzen sich im körpereigenen Gewebe fest und führen zu energetischen oder physischen Blockaden. Diese Stoffe werden Ama genannt und als klebrige Substanz beschrieben. Ama bietet einen guten Nährboden für Bakterien und Viren.
Der Gegenspieler von Ama ist Ojas. Ojas entsteht als Endprodukt einer vollständigen Verdauung. Es handelt sich um den feinsten Stoff in unserem Körper, der im Ayurveda als unser natürlicher Abwehrstoff gilt und auch als „Glückssubstanz“ bezeichnet wird. Mithilfe von Ojas baut unser Körper Schutzwälle gegen mögliche Bedrohungen und Eindringlinge von außen. Wenn wir viel Ojas in uns haben, haben wir eine gute Immunität und fühlen uns vital, ausgeglichen und zufrieden.
Mit diesen Gewohnheiten stärken Sie Ihr Verdauungssystem
Um starke Abwehrkräfte zu bilden, setzt der Ayurveda also bei der Stärkung des Verdauungssystems an: Ama soll möglichst vermieden, während die Produktion von Ojas gefördert werden soll. Dazu können Sie schon mit kleinen Gewohnheiten, die Sie in Ihren Alltag integrieren, beitragen.
1. Eine Pause zwischen den Mahlzeiten einhalten
Ojas ist das Endprodukt der Verdauung und wird daher erst ganz am Ende des Verdauungsprozesses gebildet. Deshalb müssen wir dem Körper ausreichend Zeit für die Verarbeitung der Mahlzeiten geben. Indem wir erneut etwas essen, bevor der Verdauungsprozess abgeschlossen ist, widmet sich der Körper anschließend der Verarbeitung der frischen Nahrung und unterbricht die Produktion von Ojas.
Bestenfalls vergehen zwischen zwei Mahlzeiten daher etwa vier bis fünf Stunden. Die genaue Pausenlänge kann individuell variieren, eine wesentliche Regel sollte es aber sein, auf das eindeutige Einsetzen eines Hungergefühls zu warten. Dieses signalisiert uns, dass die Verdauung abgeschlossen ist. Zwischenmahlzeiten sollten wirklich nur bei Hunger eingenommen werden, um die Ojas-Produktion nicht zu stören.
Zwischen Abendessen und Frühstück sollten Sie sogar mindestens 13 Stunden lang auf das Essen verzichten. Schließlich ist der Körper nachts mit der grundlegenden Entgiftung beschäftigt, die Zeit braucht.
2. Die Hauptmahlzeit am Mittag einnehmen
Wie bereits angesprochen, dreht sich im Ayurveda vieles um unser Verdauungsfeuer Agni. Dies ist laut dem ayurvedischen Tagesrhythmus zwischen 10 und 14 Uhr am stärksten. Die Hauptmahlzeit des Tages sollte deswegen zwischen 12 und 13 Uhr eingenommen werden, wenn das Agni seinen Höhepunkt erreicht hat. Dann darf das Mittagessen auch ruhig komplex ausfallen und Eiweiße und Fette enthalten. Frühstück und Abendessen hingegen sollten deutlich kleiner und leicht verdaulich ausfallen. Zum Frühstück eignet sich zum Beispiel ein warmer Getreidebrei, zum Abendessen eine Gemüsesuppe.
Allgemein gilt im Ayurveda, dass gekochtes und vorgegartes Essen bekömmlicher ist. Auf kalte Speisen und Salate müssen Sie zwar nicht ganz verzichten, sollten sie aber nach Möglichkeit am Mittag zu sich nehmen, wenn die Verdauungsleistung am stärksten ist.
3. Ausreichend warmes Wasser trinken
Der Ayurveda empfiehlt, täglich zwei bis drei Liter warmes oder sogar heißes Wasser zu trinken. Dies übermittelt die Wärmeenergie und regt das Verdauungsfeuer an. Außerdem unterstützt Wasser die Ausscheidungsprozesse von unbrauchbaren oder verarbeiteten Stoffen über die Nieren und den Darm.
Gerade morgens ist es empfehlenswert, ein bis zwei Gläser heißes Wasser zu trinken – bestenfalls mit Ingwer oder einem Spritzer Zitrone. Etwa eine Stunde vor und eine Stunde nach einer Mahlzeit sollte allerdings auf Wasseraufnahme verzichtet werden, da dies das Verdauungsfeuer „löschen“ und die Verdauungskraft senken könnte.
4. Mit Gewürzen kochen
Gewürze spielen in der ayurvedischen Küche eine nicht wegzudenkende Rolle. Sie sind nicht nur Geschmacksträger, sondern enthalten auch sekundäre Pflanzenstoffe, die die körpereigenen Prozesse unterstützen können. Durch natürliche, frische Gewürze können Nährstoffe noch besser vom Körper extrahiert und die Verdauung angeregt werden.
Grundsätzlich empfehlen sich Gewürze wie zum Beispiel Kurkuma, Zimt, Kardamom und Ingwer. In der Regel sollten Gewürzmischungen aber an den individuellen Konstitutionstyp angepasst werden. Schließlich sind je nach Dosha unterschiedliche Geschmacksrichtungen empfehlenswert.
5. Nicht überessen
Wenn wir mehr über unseren Hunger hinweg essen und uns übersättigen, stellen wir unser Verdauungssystem vor eine ganz schöne Herausforderung. Das ist dann schnell überfordert und arbeitet nicht mehr effizient, so dass Nahrungsteile nicht zu Ende verdaut werden und nicht so viel Ojas erzeugt wird.
Eine Faustregel besagt, dass etwa 20 % des Magens stets leer bleiben sollte. Gewöhnen Sie sich an, langsamer zu essen, um rechtzeitig zu merken, wenn sich ein Sättigungsgefühl einstellt. Das erfordert ein wenig Achtsamkeit, die aber erlernt werden kann. Am besten nehmen Sie sich zunächst eine kleine Portion, warten anschließend kurz und entscheiden dann, ob Sie noch Hunger haben oder bereits satt sind.
6. Reinigungsrituale am Morgen
Reinigungsrituale spielen im Ayurveda insbesondere im Rahmen der Morgenroutine eine große Rolle. Das liegt darin begründet, dass der Körper über Nacht die Schlackenstoffe, das Ama, abtransportieren möchte. Dies sammelt sich dann zum Beispiel in unseren Atemwegen, auf der Zunge und in der Mundhöhle.
Um das Ama am Morgen zunächst aus dem Körper zu beseitigen, lohnt es sich, sich morgens als Erstes der körperlichen Reinigung zu widmen. Diese sollte mit dem Schaben der Zunge beginnen, denn dort lagert sich besonders viel Ama ab. Hierfür gibt es spezielle ayurvedische Zungenschaber, die unkompliziert anwendbar sind. Anschließend putzen Sie sich die Zähne, um das restliche Ama aus dem Mundraum zu entfernen.
Mithilfe einer speziellen Neti-Kanne können Sie mit einer lauwarmen Kochsalzlösung Ihre Nase durchspülen und die Nasenwege reinigen. Außerdem sind yogische Atemübungen zur Befreiung der Atemwege empfehlenswert. Dazu lüften Sie am besten vorab den Raum, um frischen Sauerstoff einzuatmen.
7. Viel Bewegung
Bewegung spielt sowohl im Ayurveda als auch in der westlichen Medizin eine wichtige Rolle zur Stärkung unserer Verdauungskraft (und damit auch unseres Immunsystems). Dazu müssen Sie keinen Hochleistungssport betreiben. Vielmehr reichen bereits 30 – 60 Minuten zügiges Gehen, um die Verdauung in Schwung zu bringen.
8. Ausreichend Ruhe und Entspannung
Es ist auch im Westen bekannt, dass Stress einer der größten Feinde unserer Gesundheit und unseres Immunsystems ist. Unter Stress verzichtet der Körper evolutionsbedingt auf alle nicht lebendnotwendigen Prozesse. Darunter fällt leider auch die gründliche Verdauung und damit die Produktion des Vitalstoffs Ojas.
Neben Bewegung benötigt unser Körper deshalb auch ein Mindestmaß an ausgleichender Entspannung und Ruhe. Bauen Sie regelmäßige Pausen in Ihren Alltag ein, sorgen Sie für durchschnittlich sechs bis neun Stunden Schlaf und achten Sie auf Stressvermeidung. Denn am besten entgiftet und verdaut unser Körper im entspannten Zustand.
Der Ayurveda empfiehlt, spätestens gegen 22 Uhr schlafen zu gehen – in jedem Fall vor Mitternacht. Schalten Sie außerdem mindestens eine Stunde vor dem Schlafengehen sämtliche technische Geräte aus und vermeiden Sie aufreibende Tätigkeiten am Abend. Vielen hilft eine kurze Meditation oder eine Journaling-Übung, um schneller in den Schlaf zu finden.
Ein Dreiklang aus Lifestyle – Ernährung – Mindset
Im Ayurveda werden Körper, Geist und Seele als eine untrennbare Einheit gesehen. Wenn es um die Stärkung der Abwehrkräfte geht, dürfen deshalb nicht nur körperliche Faktoren einbezogen werden. Stattdessen haben auch unser Lebensstil und unser inneres Mindset eine Auswirkung auf das Immunsystem – in beide Richtungen.
Tipps für einen gesünderen Lifestyle und gesündere Ernährungsweisen haben wir Ihnen bereits an die Hand gegeben. Daneben sollten Sie sich aber auch Ihrer mentalen und seelischen Gesundheit zuwenden.
Weitere Grundpfeiler, die zur Produktion von Ojas beitragen, sind Gefühle wie Verbundenheit und Zufriedenheit. Verbundenheit entsteht durch tiefgehende Beziehungen zu Familie, Freunden und Bekannten, aber auch durch Verbindung mit unserem innersten Kern, unserem wahren Selbst, sowie unserer Umwelt. Praktiken wie Yoga und Meditation können helfen, eine solche Verbindung entstehen zu lassen.
Der Schlüssel zur Zufriedenheit ist vor allem in unserer inneren Einstellung und unserem Mindset versteckt. Wenn Sie Dankbarkeit praktizieren und sich mehr und mehr vom materiell motivierten Leistungsstreben lösen, können Sie im Hier und Jetzt ankommen. Stellen Sie sich zum Beispiel jeden Abend die Frage, wofür Sie heute dankbar waren. Das müssen keine großen, weltbewegenden Dinge sein – oft ist unser Glück in den kleinen Alltagsfreuden versteckt.
So entsteht ein bewusstes, achtsames Leben – und wer ganz im jetzigen Moment ist, verspürt in den meisten Fällen automatisch eine grundlegende Zufriedenheit. Denn in der Regel befinden sich alle Sorgen und Probleme entweder in der Vergangenheit oder der Zukunft, nur selten aber in der Gegenwart.
Neben gesunden Routinen und Essgewohnheiten sollten Sie also auch Ihrer mentalen und emotionalen Innenwelt genügend Aufmerksamkeit schenken. Der Ayurveda ist eine ganzheitliche Medizin und betrachtet auch das Immunsystem als ein Zusammenspiel aus körperlichen, geistigen und seelischen Faktoren.
Insbesondere in Zeiten der Corona-Pandemie wird uns der Wert eines guten Immunsystems noch einmal sehr bewusst. Mit einem starken Verdauungssystem und regelmäßigen Achtsamkeitspraktiken fördern Sie Ihre natürlichen Abwehrkräfte, so dass Sie mit der Zeit resistenter gegen allerlei Viren, Bakterien und andere Erreger werden. Probieren Sie es aus!
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