Darm-Hirn-Achse: Wie Darm und Hirn sich gegenseitig beeinflussen

von Team Zelltuning
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Der Darm ist deutlich mehr als nur ein reines Verdauungsorgan, sondern kann dank der Darm-Hirn-Achse noch viel mehr: Wie oft haben Sie schon Entscheidungen aus einem Bauchgefühl heraus getroffen, hatten beim ersten Date Schmetterlinge im Bauch oder lag Ihnen ein Streit tagelang schwer im Magen?

Seit einiger Zeit weiß man, dass Bauch und Gehirn eng miteinander kommunizieren und solche Wahrnehmungen keineswegs reine Einbildung sind. Aus der Entdeckung der sogenannten Darm-Hirn-Achse entstand ein ganz neues Forschungsgebiet, die Neurogastroentorologie.

Was ist die Darm-Hirn-Achse?

Als Bauch-Hirn-Achse oder genauer gesagt Darm-Hirn-Achse wird die Verbindung zwischen Verdauungstrakt und Gehirn bezeichnet. Diese Verbindung läuft über drei Wege:

  • Nervenbahnen
  • Botenstoffe
  • mikrobielle Stoffwechselprodukte

Der Darm besitzt ein eigenes Nervensystem, das sogenannte enterische Nervensystem (ENS). Dieses besteht aus 100 bis 150 Millionen Nervenzellen – ein ziemlich komplexes und umfassendes System. Zum Vergleich: Die Hirnrinde eines Hundes besitzt etwa 160 Millionen Nervenzellen. Das ENS reguliert unter anderem die Durchblutung und die Eigenbewegungen im Verdauungstrakt. Häufig wird es als Bauchhirn, Darmhirn oder „zweites Gehirn“ bezeichnet.

Dass Bauchhirn und Kopfhirn miteinander im Austausch stehen, weiß die Wissenschaft schon länger. Insbesondere Nervenverbindungen zwischen dem enterischen und dem zentralen Nervensystem (ZNS) spielen dabei eine Rolle, allen voran der Vagusnerv.

Der Darm steht in engem Austausch mit dem Gehirn. Bildquelle: Unsplash / Pawel Czerwinski

Was noch nicht allzu lange bekannt ist, ist, dass die Kommunikation überwiegend von unten nach oben verläuft. Etwa 90 % der Nervenstränge sind aufsteigende Nervenstränge. Der Darm redet also mehr mit dem Hirn als andersherum. Bewusst wird uns das zum Beispiel dann, wenn ein verdorbenes Lebensmittel Erbrechen auslöst.

Die Darm-Hirn-Achse beeinflusst aber längst nicht nur unsere körperliche Befindlichkeit. An der Kommunikation zwischen Kopf und Bauch sind auch Neurotransmitter, Hormone und kurzkettige Fettsäuren beeinflusst. Über diese beeinflusst der Bauch auch unser emotionales und seelisches Wohlbefinden.

Die Darmflora: Ein weiterer Mitspieler

Die Darmflora, auch intestinale Mikrobiota genannt, wird aus der Gesamtheit aller Bakterien und Mikroorganismen im Darm gebildet. Diese sind unter anderem an der Verdauung von Lebensmitteln beteiligt – aber nicht nur. Darmbakterien wie Laktobazillen und Bifidobakterien sind in der Lage, selbst Hormone zu produzieren, vor allem die folgenden beiden:

  • Gamma-Amino-Buttersäure (GABA) und
  • Serotonin

GABA hält den emotionalen Teil unseres Gehirns im Gleichgewicht. Es wirkt beruhigend, angstlösend, entspannend und stresslindernd. Serotonin ist gemeinhin als „Glückshormon“ bekannt und ermöglicht, dass wir uns satt und zufrieden fühlen. Überraschend ist die Erkenntnis, dass 90 % der appetitzügelnden Serotonin-Hormone im Darm anstatt im Hirn produziert werden. Denn für die Produktion wird die Aminosäure Tryptophan benötigt, welche von obengenannten Bifidobakterien im Darm hergestellt wird.

Über die Produktion von Botenstoffen wie GABA und Serotonin kann der Darm gezielt Einfluss auf unsere Gefühlslage nehmen. Da Darmbakterien für die Produktion elementar sind, ist die Darmflora, also die Zusammensetzung aller Darmbakterien, elementar am Einfluss des Bauchhirns auf die Psyche beteiligt.

Darmhirn & Kopfhirn: Ein starkes Team

Dass der Bauch in unserem Denken und Fühlen ein gehöriges Wörtchen mitzureden hat, scheint vielen Menschen in der westlichen Welt fern. Während östliche Länder schon seit jeher den Bauch als den Sitz der Persönlichkeit und Kraftzentrum anerkennen, ist diese Denkweise in unserer kopflastigen Gesellschaft noch neuartig.

Zwar sind in der Wissenschaft auch weiterhin noch viele Fragen in Bezug auf das Darmhirn offen. Doch ziemlich unstrittig ist die Erkenntnis, dass der Verdauungstrakt nicht nur unser physisches, sondern auch unser psychisches Empfinden beeinflussen kann.

Die Verbindung auf körperlicher Ebene ist da noch greifbarer. Liegt beispielsweise eine Entzündung im Darmtrakt vor, kommuniziert der Darm dies ans zentrale Nervensystem. Dieses wiederum veranlasst beispielsweise Reaktionen des Immunsystems. Gleichzeitig kann auch der reine Gedanke an Essen ein Magenknurren auslösen, da allein dieser das Verdauungssystem aktivieren kann.

Ein einflussreicher Faktor auf die Darm-Hirn-Achse ist Stress. In akuten Stresssituationen reagiert das Verdauungssystem zum Beispiel mit Bauchschmerzen, Übelkeit oder Durchfall. Dieses Phänomen wird auch „nervöser Darm“ genannt. Bedrohlicher ist chronischer Stress: Stehen wir dauerhaft unter Strom, werden Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol über längere Zeit in hohen Mengen ausgestoßen. Diese sollen uns kurzfristig leistungsfähiger machen, um dem Stressor entgegenwirken zu können.

Das Problem mit chronischem Stress ist, dass diese Hormone nicht rechtzeitig wieder abgebaut werden – zum Beispiel durch körperliche Betätigung oder in der Entspannung. So gerät der Hormonhaushalt aus dem Gleichgewicht, die Darmbewegungen werden verlangsamt und es kommt zu Verdauungsstörungen wie Verstopfung, Blähungen oder unregelmäßigem Stuhlgang.

Die Wissenschaft untersucht den Einfluss des Darmhirns auf neurologische und psychologische Erkrankungen. Bildquelle: Unsplash / Priscilla Du Preez

Welche Rolle spielt das Darmhirn bei neurologischen und psychischen Erkrankungen?

Die Kommunikation zwischen Darmhirn und Kopfhirn hat in der Wissenschaft die Frage aufgeworfen, inwieweit das Verdauungssystem auch für psychische Krankheiten wie Depression, Demenz, Sucht, Autismus und ADHS relevant sein könnte.

Die im Darm produzierten Botenstoffe und Hormone können immerhin je nach Typ und Menge Angst erzeugen oder lindern, die Aufmerksamkeit verbessern, den Appetit regulieren, Verlangen auslösen und die Stimmung beeinflussen. Damit nehmen sie mitunter großen Einfluss auf die psychische Gesundheit.

Es scheint also ein Zusammenhang zwischen der Darmflora und neurologischen und psychischen Erkrankungen vorzuliegen. Schwieriger als die Frage nach der Korrelation ist aber die nach der Kausalität: Beeinflussen die Krankheiten die Darmflora oder andersherum?

Abschließend geklärt ist diese Frage noch nicht. Dennoch deuten Experimente an Mäusen darauf hin, dass probiotische Darmbakterien (also gute Darmbakterien) sich positiv auf Verhalten und Stressresistenz auswirken.

Magen-Darm-Probleme durch Verspannungen

Interessant ist auch die Tatsache, dass in einigen Fällen Verspannungen in der Halswirbelsäule zu Problemen in Magen und Darm führen können. Übeltäter ist hier der Vagusnerv: Dabei handelt es sich um den zehnten Hirnnerv, der am ersten Halswirbel aus dem Schädel heraustritt und sich von dort seinen Weg durch den Brustraum bis hin zu den Bauchorganen bahnt.

Der Nervus Vagus ist Teil des parasympathischen Nervensystems und, wie oben bereits angedeutet, wichtiger Bestandteil der Darm-Hirn-Achse. Er führt zu fast allen Bauchorganen (darunter auch Magen und Darm), weswegen er weitgehend von Weichteilen geschützt wird.

Die einzige sensible Stelle ist jedoch die, an der er aus dem Schädel in die Halswirbelsäule tritt. Hier können Verspannungen im Nacken oder eine Atlasfehlstellung dazu führen, dass der Nerv eingeklemmt wird. In dem Fall wird er übermäßig gereizt und es können Probleme in der Verbindung mit den von ihm durchstreiften Organen auftreten – also auch im Verdauungssystem.

Bauchschmerzen, Übelkeit oder Verdauungsbeschwerden können in dem Fall daher auch Auswirkung einer Verspannung oder eines eingeklemmten Vagusnervs sein. Die genaue Ursache ist im Zweifel mit einem Arzt abzuklären.

Fazit: Was sagt uns das Hirn im Darm?

Wie bereits angesprochen, steckt die Wissenschaft noch mittendrin in der Erforschung des Bauchhirns. Bereits jetzt deutet aber alles darauf hin, dass dieses viel wichtiger für unsere körperliche und geistige Gesundheit ist als lange Zeit angenommen.

Gerade in Zeiten von Stress und enormen Belastungen lohnt es sich daher, dem Bauch mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Sehen Sie Ihre Verdauung nicht nur als notwendiges Etwas an, sondern sehen Sie in ihr einen Spiegel über Ihre Gesundheit.

Wenn ein bestimmter Gedanke oder eine Entscheidung ein Grummeln im Magen oder gar Bauchschmerzen auslösen, weiß Ihr Bauch vielleicht mehr als Ihr Gehirn. Wie gesagt: Zu 90 % verläuft die Kommunikation der Darm-Hirn-Achse von unten nach oben.

Lernen Sie wieder, auf Ihr Bauchgefühl zu hören und unterstützen Sie Ihre Verdauung so gut Sie können – zum Beispiel mit einer ausgewogenen Ernährung, regelmäßigen Mahlzeiten, ausreichend Wasser und genügend Bewegung. Mit festen Erholungspausen können Sie zudem Ihr Bauchhirn beruhigen und die Verdauung fördern.

Befindet sich Ihr Darm im Gleichgewicht, ist dies ein wichtiger Grundstein für Ihr seelisches Wohlbefinden!

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